Weihnachtsmarkt, Eierpunsch und Bewerber googeln

Münster wird grad wieder von einer Buswelle überschwemmt, die den nicht enden wollenden Strom an Weihnachtsmarktbesuchern weiter füttert. Straßen werden zu bevölkerten Bürgersteigen- mit klarer Fließrichtung: rechts in die Eine, links in die andere Richtung- unmöglich, mal die Seite zu wechseln. Die Menschen reißt es wohin die Welle rollt. Glück hat, wer wie Treibgut hängen bleibt, in der Nähe seines Ziels. Von den Adern läuft der Strom in die Kapillaren, in Geschäfte, Läden, Boutiquen und vollführt ein absurdes Ballett, wenn alle galant um sich und Inventar tänzeln. Ich beobachte. Behütete Damen in Ekelpelz mit Botoxlächeln, die süffisant Eierpunsch schlürfen. Kinder mit blauen Lippen bei der zehnten Runde im Karussell. Selige Väter mit der gewünschten PlayStation unterm Arm- da wird der Nachwuchs wohl wenig von haben. Und schlingernde Radfahrer lassen mich sinnieren, ob ihnen die letzte Tasse Glühwein oder das hundertste mal „Last Christmas“ die Sinne umnebelt hat. Alles trifft sich auf dem Weihnachtsmarkt. Und bei aller Hektik ist es auch ein Ort, der verbindet. Gleicher macht.

Der perfekte Ort für Networking. Und während ich noch darüber nachdenke, ob man und mit welchen Kollegen oder gar der ganzen Abteilung zum Glühwein trinken geht, und sich dabei bloß nicht vor den Augen des Chefs zudröhnt, bis der Christbaum brennt, kommt das Gespräch in der Runde wieder mal zu Bewerbern, weil wir alle etwas mit Personalauswahl zu tun haben. Hellhörig wurde ich bei „und dann hab ich den gegoogelt, und bei studivz saß er da mit nem Mädel in der einen und nem Joint in der anderen Hand. Das war’s dann..“

Endlich mal einer, der es zugibt! Die öffentlichen Meinungen gehen ja von „Vorsicht, Vorsicht, nichts Privates ist mehr sicher“ bis zu „Googeln? Zur Auswahl? Haben wir gar keine Zeit zu!“
Ich nehme meinen Wunscharbeitgeber ja auch unter die Lupe, besuche die website, informiere mich über Image und allgemeine Reputation. Wie kann ich davon ausgehen, dass er das nicht auch über mich tut. Kompromittierende Fotos im Netz, fragwürdige Äußerungen in Foren oder Blogs, Mitgliedschaften in zweifelhaften Communities: die Spanne ist breit, um sich ein Bild über die Bewerbungsunterlagen hinaus machen zu können. Kritisch wird es, wenn die Darstellung im web mit der Biographie divergiert. Mögliche Frage beim Vorstellungsgespräch: Sie haben laut ihres Lebenslaufes ein Praktikum in Australien gemacht. Wir haben aber in einem Reiseforum Einträge und Fotos von Ihnen aus Thailand gefunden. Wie erklären sie sich das?

Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) hat kürzlich eine Umfrage von 270 Personalberatern gestartet, bei der raus kam, dass ein Drittel der Teilnehmer eine Bewerber-Internet-Recherche betreiben und 57% schon einen Bewerber aufgrund der Ergebnisse von ihrer Liste gestrichen hätten. Nicht repräsentativ, aber es lässt aufhorchen.

What to do?
Sagt man nicht gern laut, wird schnell peinlich, hilft aber nichts: googeln Sie sich selbst! Immer mal zwischendurch und vor allem vor einem Vorstellungsgespräch. Findet sich Peinliches/ Kompromittierendes, versuchen Sie über den Betreiber der website die Inhalte zu löschen. Sind sie selbst der Urheber solcher Verfehlungen verfahren Sie genauso- einen rechtlichen Anspruch haben Sie allerdings nicht. Wenn Sie sich einen „Google-Alert“ mit Ihrem Namen einrichten, erfahren Sie zumindest per Mail, wann wo was über Sie im Internet auftaucht. Neben „Google“ sind auch zoominfo.com oder „stalkerati.com“ gute Suchmaschinen um personenbezogene Daten zu finden. Das Ganze zeigt die Sorgfalt, mit seiner „öffentlichen Persönlichkeit“ umzugehen. Und zu pflegen. Denn auch andersrum lässt sich die Maschinerie nutzen: qualifizierte Beiträge in Fachforen, ein eigener Blog oder die Gestaltung der eigenen Homepage können helfen, positiv aufzufallen. Und je mehr Spuren Sie legen, desto mehr rücken alte Verweise in den Hintergrund. Denn das ist klar: Wir haben uns mit dieser Technologie auch ein riesiges Gedächtnis geschaffen..

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